ESG

Risikomanagement: Warum jedes Unternehmen eine strukturierte Vorgehensweise braucht

1. Jul. 2025

Jedes Unternehmen, unabhängig von Größe, Branche oder Region, ist Risiken ausgesetzt, die den Geschäftsbetrieb, die finanzielle Stabilität, das Image oder sogar das Überleben bedrohen können. Brände, Überschwemmungen, Stromausfälle, Lieferkettenunterbrechungen, Arbeitsunfälle oder Diebstahl sind nur einige Beispiele für potenzielle Gefahren, auf die sich Unternehmen vorbereiten müssen.

Zwar lassen sich manche Risiken nie vollständig ausschließen, doch ein systematisches Risikomanagement sorgt dafür, dass Gefahren frühzeitig erkannt, mögliche Schäden minimiert und im Ernstfall schnell reagiert und wiederhergestellt werden kann. 

Dieser Artikel erläutert die Grundlagen des unternehmerischen Risikomanagements, typische Herausforderungen und die wesentlichen Schritte zur Einführung eines wirksamen, unternehmensweiten Prozesses.

 

Was ist Risikomanagement?


Risikomanagement ist ein strukturierter Prozess zur Identifikation, Bewertung, Steuerung und Überwachung potenzieller Risiken, die die Fähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigen könnten, seine Ziele zu erreichen. Es stellt sicher, dass Unternehmen besser auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereitet sind und finanzielle, operative oder reputative Schäden minimieren können.

Wichtige Aspekte des Risikomanagements sind:

  • Erkennung potenzieller Bedrohungen für den Geschäftsbetrieb
  • Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und möglichen Auswirkungen einzelner Risiken
  • Definition von Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung oder Steuerung der Risiken
  • Dokumentation von Zuständigkeiten und Notfallplänen
  • Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Risikoanalysen

Im Unterschied zum Krisenmanagement, das erst nach Eintritt eines Ereignisses reagiert, ist Risikomanagement proaktiv und konzentriert sich auf Prävention und Vorbereitung.

 

Typische Risiken, denen Unternehmen gegenüberstehen


Jedes Unternehmen ist internen und externen Risiken ausgesetzt. Die genaue Ausprägung hängt zwar von Branche und Größe ab, doch einige klassische Risiken betreffen nahezu alle Organisationen:

  • Brand-, Explosions- und Wasserschäden: Ereignisse, die den Betrieb stören oder zu längeren Ausfallzeiten führen können
  • Stromausfälle und IT-Systemstörungen: Risiken, die Produktion, Kommunikation oder Kundenservice lahmlegen
  • Diebstahl, Vandalismus und unbefugter Zugriff: Gefährdung von Sachwerten, sensiblen Daten und Betriebsabläufen
  • Arbeitsunfälle und gesundheitliche Vorfälle: Beeinträchtigungen der Mitarbeitersicherheit und Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
  • Unterbrechungen der Lieferkette: Verzögerungen bei wichtigen Materialien, Bauteilen oder Dienstleistungen
  • Pandemien oder weitverbreitete Erkrankungen: Verringerte Personalverfügbarkeit oder notwendige Anpassungen im Betrieb
  • Naturkatastrophen: Stürme, Überschwemmungen, Dürre oder Erdbeben mit Schäden an Infrastruktur und Betriebsabläufen

Aktuelle Studien belegen die erheblichen Kosten ungeplanter Ausfälle: ABB (2023) berichtet, dass über zwei Drittel der Industrieunternehmen monatlich mit Ausfällen rechnen müssen, die rund 125.000 US-Dollar pro Stunde kosten. Siemens (2024) schätzt, dass Ausfallzeiten die 500 größten Unternehmen jährlich rund 1,4 Billionen US-Dollar kosten – etwa 11 % ihres Umsatzes. MaintainX (2024) nennt durchschnittliche Kosten von 25.000 US-Dollar pro Stunde, die bei größeren Firmen auf bis zu 500.000 US-Dollar pro Stunde steigen können.

Durch systematische Identifikation und Bewertung dieser Risiken können Unternehmen gezielt Maßnahmen ergreifen, um den Geschäftsbetrieb zu schützen.

 

Von einfachen Bewertungen zu quantitativen Analysen mit FAIR


Traditionell kategorisieren Unternehmen Risiken oft mit qualitativen Bewertungen wie „niedrig“, „mittel“ oder „hoch“. Diese Einteilungen bieten zwar einen schnellen Überblick, basieren aber häufig auf subjektiven Einschätzungen und berücksichtigen selten eine klare finanzielle Perspektive. Angesichts zunehmend komplexer Betriebsumfelder reicht diese Methode heute nicht mehr aus, um fundierte Entscheidungen zur Priorisierung von Risiken und Ressourcen zu treffen.

Eine effektivere Alternative ist die quantitative Risikoanalyse, die neben der Wahrscheinlichkeit auch die potenziellen finanziellen Folgen eines Ereignisses berechnet. Ein bewährtes und strukturiertes Verfahren ist FAIR (Factor Analysis of Information Risk). Ursprünglich für die Bewertung von Informationsrisiken entwickelt, hat sich FAIR inzwischen als Standard für zahlreiche unternehmerische Risiken etabliert – von betrieblichen Gefahren wie Bränden und Ausfällen bis hin zu finanziellen oder reputativen Risiken.

Der Unterschied von FAIR liegt in der klaren, zahlenbasierten Bewertung des Risikos: Statt vager Kategorien werden zwei zentrale Größen berechnet:

  • Loss Event Frequency (LEF) – Wie häufig ist ein Risikoereignis in einem bestimmten Zeitraum zu erwarten?
  • Loss Magnitude (LM) – Welcher finanzielle Schaden würde im Ernstfall entstehen?

Durch die Kombination dieser Werte erhalten Unternehmen eine realistische Einschätzung möglicher Verluste und können Risiken anhand der tatsächlichen monetären Auswirkungen priorisieren. So lassen sich operative Risiken wie Lieferkettenstörungen, Sachschäden oder Betrug objektiv vergleichen.

 

Die wichtigsten Schritte im strukturierten Risikomanagementprozess


Für ein effektives Risikomanagement empfiehlt sich ein klar strukturierter und wiederholbarer Ablauf, der alle relevanten Risikokategorien und Unternehmensbereiche abdeckt. Ein typischer Prozess umfasst folgende Schritte:


1. Risiken identifizieren


Erfassen Sie alle potenziellen Risiken, die Betrieb, Infrastruktur, Mitarbeiter und Finanzen betreffen könnten – sowohl interne (z. B. veraltete Anlagen, mangelnde Wartung) als auch externe (z. B. Extremwetter, Marktveränderungen).

💡 Tipp: Beziehen Sie Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen mit ein, um wertvolle Einblicke in operative Risiken zu erhalten.


2. Risiken bewerten


Schätzen Sie für jedes Risiko folgendes ab:

  • Eintrittswahrscheinlichkeit (Wie wahrscheinlich ist das Risiko?)
  • Potenzielle Auswirkungen (Wie gravierend wären die Folgen?)

Diese Bewertung hilft dabei, Risiken nach Dringlichkeit zu priorisieren.


3. Maßnahmen zur Risikominderung entwickeln


Legen Sie für prioritäre Risiken Präventions- und Notfallpläne fest, z. B.:

  • Installation von Brandmelde- und Löschanlagen
  • Backup-Stromversorgung und IT-Notfallkonzepte
  • Evakuierungs- und Notfallübungen
  • Diversifizierung von Lieferanten
  • Schulungen zu Arbeitssicherheit


4. Verantwortlichkeiten zuweisen


Legen Sie klar fest, wer für Überwachung, Prävention und Management der einzelnen Risiken zuständig ist. Zuständigkeiten müssen dokumentiert und kommuniziert werden.


5. Risiken überwachen und aktualisieren


Überprüfen Sie Ihre Risikoübersicht regelmäßig und passen Sie diese an, wenn neue Risiken entstehen oder sich bestehende Risiken ändern. Testen Sie Notfallpläne durch Übungen testen und verbessern Sie diese bei Bedarf.
 

Der gesamte Prozess wird besonders effizient, wenn eine zentrale Softwarelösung Risikomanagement, Bewertung und Maßnahmenplanung unterstützt. Ab Q3/Q4 2025 steht das neue Risikomanagement-Modul der Envoria-Lösung zur Verfügung, das strukturierte Erfassung, automatische Priorisierung und übersichtliches Reporting ermöglicht.

 

Risikomanagement: Herausforderungen und konkrete Vorteile


Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, ein konsistentes und wirksames Risikomanagement zu etablieren. Typische Probleme sind unvollständige Risikoerfassung – wichtige Gefahren werden übersehen, weil Perspektiven fehlen oder Analysen nicht systematisch erfolgen. Unterschiedliche Bewertungsmethoden in den Abteilungen führen zu inkonsistenten Ergebnissen. Fehlende Dokumentation erschwert die Nachverfolgung, Compliance-Nachweise und das Lernen aus Vorfällen. Unklare Verantwortlichkeiten erhöhen die Gefahr, dass Präventionsmaßnahmen oder Notfallpläne im Ernstfall nicht greifen. Selbst wenn Pläne existieren, sind sie oft veraltet, selten geprobt und somit in echten Situationen ineffektiv.

Ein strukturiertes, regelmäßig aktualisiertes Risikomanagement hilft, diese Herausforderungen zu meistern und bringt klare Vorteile: Weniger ungeplante Ausfälle und Betriebsstörungen, geringere finanzielle Verluste durch frühzeitige Erkennung und Gegenmaßnahmen, verbesserte Mitarbeitersicherheit durch klare Abläufe und Prävention sowie eine stärkere Einhaltung gesetzlicher Vorgaben – viele Länder verlangen mittlerweile formale Risikoanalysen und Notfallvorsorge.

Darüber hinaus unterstützt ein systematisches Risikomanagement das Fällen von besseren Entscheidungen, indem es eine verlässliche Grundlage für Priorisierungen schafft. Auch das Unternehmensimage profitiert: Kunden, Mitarbeitende und andere Stakeholder erwarten zunehmend, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen, widerstandsfähig sind und sich auf steigende regulatorische und ökologische Anforderungen einstellen.

 

Exkurs: Risikomanagement im Kontext von ESG


Neben klassischen Betriebs- und Geschäftsrisiken gewinnt das Risikomanagement auch im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) an Bedeutung. Viele Nachhaltigkeitsvorgaben und Berichtspflichten verlangen, dass Unternehmen ESG-bezogene Risiken identifizieren und offenlegen, etwa Klimarisiken, soziale Konflikte oder Governance-Mängel.

Beispiele für ESG-Risiken:

  • Umwelt: Extreme Wetterereignisse, Ressourcenknappheit, Strafzahlungen
  • Soziales: Arbeitsrechtsverletzungen in Lieferketten, Konflikte zur Vielfalt am Arbeitsplatz
  • Governance: Korruption, Datenschutzverletzungen, Gesetzesverstöße

Für Unternehmen mit Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten empfiehlt sich, ESG-Risiken in das bestehende Risikomanagement zu integrieren – als Ergänzung, nicht als Ersatz der klassischen Risikoanalyse.

 

Warum sich frühzeitiges Handeln im Risikomanagement lohnt


Jedes Unternehmen ist Risiken ausgesetzt – sei es ein Brand im Lager, ein Stromausfall oder eine unerwartete Lieferverzögerung. Ein strukturierter, proaktiver Risikomanagementprozess sorgt dafür, dass Betriebe handlungsfähig bleiben, Mitarbeitende geschützt und finanzielle Stabilität bewahrt wird – auch in schwierigen Situationen. Ziel ist nicht, alle Risiken zu eliminieren, sondern auf die wahrscheinlichsten und schädlichsten Ereignisse bestmöglich vorbereitet zu sein.

Über die Betriebssicherheit hinaus unterstützt effektives Risikomanagement fundierte Entscheidungen, stärkt das Ansehen des Unternehmens und erleichtert die Einhaltung wachsender gesetzlicher und ESG-Berichtspflichten. Unternehmen, die heute in transparente Prozesse und verlässliche Tools investieren, sind für zukünftige Herausforderungen, von betrieblichen Zwischenfällen bis hin zu Umwelt- und Regulierungsrisiken, deutlich besser aufgestellt.

Mit modernen Softwarelösungen wie dem kommenden Risikomanagement-Modul von Envoria können Risiken noch effizienter verwaltet werden – mit zentraler Dokumentation, automatischer Bewertung und integriertem Reporting in einem System.
 

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