Die Europäische Kommission hat am 23. Februar 2022 einen Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) vorgelegt. Durch die Einbeziehung von Menschenrechts- und Umweltbelangen in die Geschäftstätigkeit und die Unternehmensführung zielt diese Richtlinie darauf ab, nachhaltige und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu fördern. Mit den neuen Berichterstattungspflichten werden Unternehmen verpflichtet, die negativen Auswirkungen ihres Handelns, einschließlich derer ihrer direkten und indirekten Zulieferer innerhalb und außerhalb Europas, zu berücksichtigen. Die Ziele der CSDDD ähneln denen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes (LkSG) – oder kurz Lieferkettengesetz – aber auf europäischer Ebene. Im Gegensatz zum LkSG deckt die CSDDD jedoch die gesamte Wertschöpfungskette ab und betrifft einen breiteren Kreis von Unternehmen.
Warum ist eine EU-Lieferkettenrichtlinie wichtig?
Laut dem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über moderne Sklaverei waren im Jahr 2021 täglich 27,6 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Mehr als 3,3 Millionen aller Menschen in Zwangsarbeit waren Kinder. Erschreckenderweise ist die Zahl der Menschen in Zwangsarbeit zwischen 2016 und 2021 sogar um 2,7 Millionen gestiegen.
Gleichzeitig hielten laut Auswärtigem Amt im Jahr 2020 weniger als 20 % der in Deutschland ansässigen Unternehmen die Sorgfaltspflichten für Unternehmen ein.
Dies zeigt die Dringlichkeit einer rechtsverbindlichen EU-weiten Gesetzgebung zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Die CSDDD will mit einer einheitlichen europäischen Sorgfaltspflichtregelung für Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Die meisten Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, die von Unternehmen verursacht werden, lassen sich auf ihre Zulieferer zurückführen. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht die EU in der Verantwortung, faire Lieferketten zu fördern und Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in ihren Lieferketten zu minimieren.
Wer ist von der CSDDD betroffen?
Die CSDDD wird für Unternehmen gelten, die einer der drei folgenden Gruppen angehören:
Große Unternehmen: EU-Unternehmen mit (i) mehr als 500 Beschäftigten und (ii) mehr als 150 Millionen Euro Nettoumsatz pro Jahr
Risikosektor-Unternehmen: EU-Unternehmen in Risikosektoren, wenn sie (i) mehr als 20 Millionen Euro Nettoumsatz in Risikosektoren* erwirtschaften, (ii) mehr als 250 Beschäftigte haben, und (iii) 40 Millionen Euro Nettoumsatz pro Jahr erzielen
Nicht-EU-Unternehmen: Unternehmen aus Drittländern, wenn sie (i) in der EU tätig sind, (ii) in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR pro Jahr ODER in der EU einen Nettoumsatz zwischen 40 und 150 Mio. EUR pro Jahr und davon in Risikobereichen weltweit einen Nettoumsatz von mehr als 20 Mio. EUR pro Jahr erzielen
*Risikosektoren sind die Textilindustrie, die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei, die Lebensmittelindustrie, die Chemie und der Abbau von Bodenschätzen.
Der Geltungsbereich des Entwurfs umfasst den eigenen Betrieb, die Tochtergesellschaften und die gesamte Wertschöpfungskette (Beschaffung, Verwendung und Entsorgung). Es sind also alle direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen betroffen.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind nicht direkt betroffen. KMU, die aufgrund ihrer Stellung in der Wertschöpfungskette indirekt betroffen sind, sollen Unterstützungsmaßnahmen erhalten.
Nach Angaben des Rates für nachhaltige Entwicklung werden rund 17.000 Unternehmen von der CSDDD betroffen sein, davon rund 9.400 in Gruppe 1 (Großunternehmen), 3.400 in Gruppe 2 (Unternehmen des Risikosektors) und 4.000 in Gruppe 3 (Nicht-EU-Unternehmen).
Welche Berichtspflichten bestehen im Rahmen der CSDDD?
Sorgfaltspflichten
Die Sorgfaltspflichten im Rahmen der CSDDD umfassen Aspekte, die in den OECD-Leitlinien zur Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolle Geschäftspraktiken definiert sind. Sie beinhalten Sorgfaltsmaßnahmen für Unternehmen, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu erkennen und zu beseitigen.
Daher müssen die Unternehmen, um die Vorschriften einzuhalten, Folgendes tun:
gebührende Sorgfaltspflicht in die Unternehmenspolitik einbeziehen
bestehende oder mögliche negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln
potenzielle Auswirkungen verhindern oder abschwächen und bereits eingetretene Auswirkungen beseitigen oder minimieren
ein Beschwerdeverfahren einrichten und aufrechterhalten
die Wirksamkeit der Sorgfaltspflichtpolitik und -praktiken überwachen
Informationen über die Sorgfaltspflicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen
EU Klimaziele
Außerdem müssen betroffenen Unternehmen ihre interne Politik auf das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens ausrichten, gemäß Artikel 15 des CSDDD-Vorschlags.
Dies gilt für Unternehmen der Gruppe 1 und der Gruppe 3 mit einem Umsatz von über 150 Millionen Euro. Dazu müssen die betroffenen Unternehmen einen Aktionsplan festlegen, der ihre Geschäftsstrategie und ihr Geschäftsmodell mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang bringt. Dieser Plan soll auch in die variable Vergütung des Vorstands des Unternehmens einfließen, um entsprechende finanzielle Anreize zu setzen.
Welche Verstöße werden in der Richtlinie aufgeführt?
Für die Kontrolle dieser neuen Vorschriften sind die von den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten gewählten nationalen Verwaltungsbehörden zuständig. Diese sollen sich EU-weit abstimmen und sind befugt, bei Verstößen umsatzabhängige Bußgelder zu verhängen und die Einhaltung der Vorschriften anzuordnen. Darüber hinaus werden geschädigte Personen die Möglichkeit haben, für Verluste zu klagen, die mit den richtigen Sorgfaltsmaßnahmen hätten verhindert werden können. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass den Opfern eine zivilrechtliche Entschädigung garantiert wird.
Wie unterscheidet sich die CSDDD vom deutschen Lieferkettengesetz (LkSG)?
Die CSDDD wird die entsprechende europäische Richtlinie zum deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) sein, das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Obwohl die Ziele der CSDDD und des LkSG ähnlich sind, sieht die CSDDD ambitioniertere Offenlegungspflichten vor.
Dies ist vor allem auf den Anwendungsbereich der CSDDD zurückzuführen, die ein viel breiteres Spektrum von Unternehmen abdeckt als das LkSG. Das LkSG verpflichtet Unternehmen mit 3.000 (ab 2023) oder 1.000 (ab 2024) Beschäftigten zur Offenlegung. Im Gegensatz dazu betrifft die CSDDD Unternehmen mit bereits 500 oder 250 Beschäftigten, was trotz der Umsatzschwellen (siehe oben) einen breiteren Kreis von Unternehmen abdeckt.
Die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens fällt in den Geltungsbereich der CSDDD, während das LkSG nur direkte und indirekte (nur bei konkreten Hinweisen) Lieferanten erfasst.
Während sowohl das LkSG als auch die CSDDD bei Nichteinhaltung Bußgelder verhängen, sieht das LkSG im Gegensatz zur CSDDD keine zivilrechtlichen Haftungsregelungen bei Verstößen vor.
Das LkSG deckt weniger Rechtsbereiche ab, zum Beispiel verlangt es keine Ausrichtung auf das 1,5°-Ziel.
Als europäische Richtlinie verpflichtet die CSDDD die EU-Staaten, ihre Inhalte innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen. Aufgrund der verschärften Meldepflichten wird die CSDDD daher voraussichtlich zu einer Überarbeitung des deutschen Lieferkettengesetzes führen.
Die nächsten Schritte der CSDDD
Am 1. Juni 2023 hat das Europäische Parlament den Entwurf der CSDD angenommen.
Dem gingen lange Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der EU und der EU-Kommission voraus. Das EU-Parlament setzt sich - im Gegensatz zum Rat der EU - sehr für ein strenges Lieferkettengesetz ein und will den Vorschlag der EU-Kommission zur Ausweitung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette deutlich verschärfen. Darüber hinaus haben verschiedene Nichtregierungsorganisationen Kritik geäußert, dass der Entwurf nicht weitreichend genug sei und noch verschiedene Schlupflöcher aufweise. Parallel dazu haben Industrieverbände den Entwurf als zu weitreichend kritisiert.
Nun stehen die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten an. Es wird erwartet, dass sich diese auf Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der neuen Regeln und den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens konzentrieren werden.
Mit der Verabschiedung der EU-Richtlinie wird im Jahr 2023 gerechnet. Nach der Verabschiedung der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen und die entsprechenden Texte an die Kommission zu übermitteln.
Der vorgesehene Zeitplan ist knapp bemessen: Dem Entwurf zufolge sollen die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie bis Ende 2024 in nationales Recht umgesetzt haben. Damit würde die Übergangsphase für Unternehmen der Gruppe 1 (Großunternehmen) beginnen, die bis Ende 2026 dauern wird. Bis dahin muss die Gruppe 1 die Anforderungen der CSDDD erfüllen. Die Übergangsphase für die Gruppe 2 (Risikosektor-Unternehmen) soll bis Ende 2028 andauern.
Update vom 28. Februar 2024: Die EU ist bei der Annahme der CSDDD gescheitert. Die geplante Abstimmung über die Richtlinie ist auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Die endgültige Verabschiedung durch den Europäischen Rat scheiterte an den Einwänden mehrerer Länder, darunter Deutschland und Italien. Und das, obwohl der Rat und das EU-Parlament bereits eine vorläufige Einigung über die Richtlinie erzielt hatten. Lesen Sie mehr hier.